Presseartikel über und von Dirigent Roland Gärtner
aus der Heilbronner Stimme vom 17.11.2020
von Sabine Friedrich
Ein Chorleiter allein im Tonstudio
Roland Gärtner produziert Woche für Woche Lieder für seine Sänger. Jedes Mitglied bekommt seine Stimme als E-Mail.
Hier beginnt für mich Kultur
aus der Heilbronner Stimme vom 19.4.07 von M. Nied
Musikalisch war er schon immer. Aber dass er einmal einen Männerchor leiten würde, hätte er sich bis vor 20 Jahren nicht richtig vorstellen können. Doch genau seit 20 Jahren singen die Männer vom
Sängerbund Flein nach Roland Gärtners Takt. Aufmerksam wurde der Chor bereits zwei Jahre früher auf ihn. Denn 1985 wurde Gärtner Leiter der Grund- und Hauptschule.
Talent Schnell hatte es sich bis in die Kreise des Sängerbundes herumgesprochen, dass Gärtner nicht nur über ein großes musikalisches Talent verfügt, sondern auch Musik an der Pädagogischen
Hochschule in Ludwigsburg studiert hatte. Zwei Jahre lang klopften die Sänger immer wieder mal an seine Tür, die sich allerdings zunächst noch in Heilbronn-Biberach befand. „Erst als ich nach
Flein umgezogen war, hatte ich keinen plausiblen Grund mehr, die Bitte abzulehnen,“ erinnert sich Gärtner. Dennoch war ihm damals etwas flau im Magen: „Bei so einem Chor trifft man ja immerhin
auf gestandene Sänger - und ob die dann so einen jungen Lehrer, wie ich damals einer war, so ohne weiteres akzeptieren?“ Andererseits habe ihn diese Aufgabe auch gerade deswegen gereizt, fügt er
lächelnd hinzu.
Freude am Dirigieren Und heute? Noch immer ist er gerne Dirigent beim Sängerbund. Das flaue Gefühl vor dem Probeabend ist längst dem Bedürfnis, mit dem Chor Musik zu machen, gewichen. Denn
„spätestens nach zehn Minuten Probe ist der Alltagsstress weg, der Kopf ist frei, und ich fühle mich wieder frisch und munter.“
Dass Roland Gärtner so etwas sagen kann, sagt ganz nebenbei auch vieles über den Chor und den Verein. Denn üblich ist es ganz und gar nicht, dass ein Dirigent über 20 Jahre den selben Chor
leitet. In vielen Fällen wechselt der Dirigent nach kürzerer Zeit, weil sich oft Missverständnisse und Verwerfungen häufen. Doch Gärtner fühlt sich wohl in diesem Kreis. Vor allem auch, weil die
Mitglieder aus den unterschiedlichsten Berufen kommen. So drehen sich die Gespräche nach der Singstunde so gut wie nie um die Schule, und „ich bin noch einmal unter ganz anderen Gesichtspunkten,
die ich von den Sängern vermittelt bekomme, am Fleiner Gemeindeleben beteiligt.“
Doch die vergangenen 20 Jahren seiner Dirigentschaft waren auch geprägt von einem gehörigen Mitgliederschwund im Sängerbund. Denn schon lange nicht mehr wird es als besondere Ehre empfunden,
Mitglied im Sängerbund zu sein, wie das beim Wiederbeginn nach dem Zweiten Weltkrieg noch der Fall war. Dem ist der Dirigent vor drei Jahren dadurch begegnet, dass er, ähnlich wie in den
Sportvereinen schon immer üblich, sozusagen eine neue Abteilung, den Chor „TonArt“ ins Leben gerufen hat. Dieses Ensemble ist gemischt und singt ausschließlich zeitgemäße und moderne
Literatur.
Aufhören? Daran denkt Roland Gärtner nicht wirklich. Solange es die eigene Gesundheit und der Chor zulassen, möchte der 57-jährige Schulleiter weiterhin mit den engagierten Amateuren für sich
selbst und für andere etwas Musikalisches auf die Beine bringen. Für Gärtner ist klar: „Hier beginnt für mich Kultur.“
In seinem Grußwort zum 125-jährigen Jubiläum des Vereins im Jahr 1997
stellt Roland Gärtner seine Gedanken zum Singen im Chor vor:
Wir leben heute in einer technisierten Umwelt, die häufig von materialistischen Lebenseinstellungen geprägt ist. Lärm, Stress und Hektik sind leider viel zu oft alltägliche Begleiter in unserer konsumorientierten Gesellschaft. Hier kann eine musische Tätigkeit, wie es das Singen im Chor darstellt, eine ausgleichende und sozial-integrierende Funktion haben.
Sich nicht nur mit Musik der Medien berieseln lassen, sondern selber aktiv zu musizieren, mit anderen und vor anderen zu singen, schafft intensive Begegnungen. Im Zeitalter der Massenkommunikation kann die Bedeutung der Kommunikation der Menschen untereinander und der Mitmenschlichkeit nicht hoch genug eingeschätzt werden. Im Fleiner Sängerbund finden sich Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Alters freiwillig zum gemeinsamen Singen zusammen. Sie sind bereit, sich neben ihrem musikalischen Einsatz auch mit der Durchführung von Festen und Feiern im örtlichen Bereich zu engagieren und damit freiwillige - heute nicht mehr selbstverständliche - Dienstleistungen für die Gemeinschaft zu leisten.
Seit der Gründung des Sängerbundes vor 125 Jahren hat sich viel verändert, unsere Welt wandelt sich nicht nur ständig, sondern auch mit stets zunehmender Geschwindigkeit. Eine ganze Reihe von Entwicklungen unserer modernen Gesellschaft stehen heute im Widerspruch zu einem traditionellen Vereinsleben. Besonders die junge Generation, die in ihrem Leben nichts anderes kennen gelernt hat als das Leben in einer Angebots- und Konsumgesellschaft, hat für Vereinsaktivitäten oft nur ein müdes Lächeln übrig.
In Zukunft muss es mehr gelingen, das Singen auch für Jugendliche attraktiver zu machen. Es ist inzwischen unbestritten, dass gerade Vereinsaktivitäten, egal welcher Art, wichtige soziale Aufgaben bei Jugendlichen übernehmen können, die mit dazu beitragen, ein Abgleiten auf die schiefe Bahn zu verhindern, das letztendlich vom Staat mit großem finanziellen Einsatz repariert werden muss. Der Sängerbund Flein hat durch die Gründung des Jugendchors und die seit vielen Jahren praktizierte gute Zusammenarbeit mit der Schule schon positive Ansätze aufgezeigt. Das 125-jährige Jubiläum ist Anlass, mit Freude und Stolz auf das bisherige Vereinsgeschehen zu schauen. Es muss aber auch Anlass dafür sein, den Blick in die Zukunft zu richten, Ideen zu entwickeln und in die Tat umzusetzen, damit die Ziele der Sängerbewegung auch zukünftig lebendig bleiben.